POSITIVE PÄDAGOGIK

Im August 2013 haben wir unsere erste Einrichtung eröffnet. Schnell wurde uns klar, dass die Resilienzförderung zu unserer alltäglichen pädagogischen Arbeit gehört. In der Hochzeit der Pandemie, als die Gruppen sehr klein waren und wir mehr Zeit hatten die einzelnen Kinder zu beobachten, ist uns ein Aspekt schnell aufgefallen: je mehr Zuwendung, Bedürfnisbegleitung und Positivät die Kinder im Alltag erfahren, desto offener und glücklicher sind sie. Die Entwicklung schreitet rasanter voran, wenn die Bildungsbegleiter auf die intrinsische Motivation sensibel und zugewandt eingehen. Und vor allem, wenn die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes erkannt und auch laut benannt werden. Und so haben wir uns dazu entschieden, unseren Schwerpunkt neu zu definieren:

 

POSITIVE PÄDAGOGIK

 

Es geht in der positiven Pädagogik vor allem darum, für die Kinder in unserer Einrichtung liebevoll, sowie unterstützend da zu sein, sich auf sie einzulassen, sie ernst zu nehmen und mit ihnen auf Augenhöhe zu kommunizieren, als auch ihren eigenen Gedanken und Gefühlen Raum zu geben und diese leben lassen zu können.

 

Als Bildungseinrichtung ist es unser Anliegen und unsere Verantwortung die zukünftigen, gesellschaftlichen und sozialen Grundlagen zu bilden, indem wir die Kinder vorurteilsfrei und nicht aus dem Mangel heraus betrachten, sondern sie mit all der Fülle, die in ihnen steckt, annehmen und diese gefüllte Schatztruhe in ihrem Innern weiter auffüllen und wachsen lassen, sodass sie diese mit ihrer Umwelt teilen können.

Grundvoraussetzung für das Arbeiten mit der positiven Pädagogik ist für unsere Bildungseinrichtung die biografische Selbstreflexion eines jeden Bildungsbegleiters, denn nur wer sich selbst mit all den Ressourcen und Stärken annimmt, kann auch das Kind in diesem Sinne betrachten und die positive Pädagogik anwenden.

Bedürfnisorientiert begleiten

Positive Pädagogik beinhaltet unbedingt das bedürfnisorientierte Arbeiten. Bedürfnisorientierung ist eine Haltung und ist unabdingbar bei unserer täglichen Arbeit mit den Kindern.

 

Dabei ist es wichtig, auf die Bedürfnisse der Kinder, Eltern und Fachkräfte einzugehen, diese ernst zu nehmen, ihre jeweiligen Grenzen zu wahren und sie in Entscheidungen miteinzubeziehen. Das bedeutet nicht Wünsche (sofort) zu erfüllen, Konflikte zu umgehen und alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen oder nie Nein zu sagen, sondern vielmehr Bedürfnisse und Grenzen aller beteiligten Person wahr- und ernst zu nehmen und vor allem zu verbalisieren. So entsteht Vertrauen untereinander. Zudem entwickelt sich die Fähigkeit empathisch auf eigene Bedürfnisse und die der Anderen einzugehen.

 

Schon die Kleinsten zeigen uns deutlich was sie brauchen. Wenn sie z.B oft auf den Schoß wollen, bedeutet dies, dass sie ein Bedürfnis nach Nähe und Bindung haben. Dies ist das wichtigste Bedürfnis von allen und wird von den Bildungsbegleitern ausnahmslos erfüllt. Wir sind der sichere Hafen für die Kinder und helfen ihnen dabei Kraft zu tanken, Stress abzubauen und wieder in ihre emotionale Mitte zu finden.

 

Fängt das Kind auf den ersten Blick ohne einen ersichtlichen Grund an zu weinen, gilt es für uns genau hinzuschauen, was das Kind gerade braucht. Denn für das Kind ist die Trauer oder der Ärger in diesem Moment echt. Es braucht unbedingt unsere Unterstützung und darf auf keinen Fall mit seinen Gefühlen allein gelassen werden.

Die Kinder dürfen bei uns sein wie sie sind und müssen nicht sein, wie die Erwachsenen sie gerne hätten. Die Kinder entscheiden selbst, ob sie mitessen, sich schlafen legen oder beim Morgenkreis dabei sein möchten. Die zentrale Aufgabe der Bildungsbegleiter ist es sensibel darauf einzugehen, eventuell Alternativen anzubieten und vor allem dem Kind zu vertrauen, dass es seine Bedürfnisse am besten kennt.

Positive Sprache

 

Man kann nicht nicht kommunizieren. Diesen Satz haben wir alle schon tausendmal gehört. In der Kita rückt dieser Satz noch mehr in den Vordergrund, denn die Bildungsbegleiter kommunizieren den ganzen Tag non stop mit den Kindern. Wir lächeln, wir gestikulieren, wir begleiten unser Handeln stets mit Worten, wir benennen die Gefühle der Kinder (und auch unsere eigenen), wir begleiten die Kinder bei den Konflikten und stärken sie in ihrem Bewusstsein.

 

Welche Worte wir dabei wählen, entscheidet darüber, wie das Kind sich selbst und seine Umwelt später sehen wird. Die Bildungsbegleiter kommunizieren immer auf Augenhöhe mit den Kindern. Wir schaffen eine „Ja Umgebung“ , in der sich die Kinder frei und unbeschwert entfalten können, ohne Angst haben zu müssen, dass sie bestraft oder als Persönlichkeit nicht wertgeschätzt werden. Statt „ male nicht auf den Tisch“ sagen wir „hole dir bitte ein Blatt“. Statt „ du brauchst nicht zu weinen“ sagen wir „ ich sehe, dass du traurig bist. Möchtest du umarmt werden?“

 

Auf diese Weise bauen die Kinder Vertrauen zu uns auf, weil sie wissen, dass sie so angenommen werden wie sie sind. Die Bildungsbegleiter fungieren als Vorbild, damit später aus den kleinen Menschen Erwachsene werden, die Wertschätzung und Toleranz anderen gegenüber zeigen und ihrerseits vorleben. „ Die Art, wie wir zu unseren Kinder sprechen, wird zu ihrer inneren Stimme“ (Peggy O'Mara)

 

Resilienzförderung

Resilienz ist der nächste Baustein unseres Schwerpunktes.

Damit Kinder selbstständig werden können und Vertrauen in eigene Stärken und Fähigkeiten entwickeln können, handeln wir in unserer Kindertageseinrichtung nach dem Motto „so viel Hilfe wie nötig, so wenig Hilfe wie möglich“. Wir beobachten die Kinder in ihrem täglichen Tun und geben ihnen bedürfnisorientiert Hilfestellungen und/oder Motivation, soweit sie diese benötigen.

 

Wir geben den Kindern Freiräume, in denen sie sich ausprobieren können. So lernen sie mit positiven Gefühlen und Ereignissen (wie bspw. aufgrund von selbst erreichten Erfolgserlebnissen, Anerkennung anderer Kinder etc.), aber auch negativen Gefühlen (wie bspw. Ärger, Misserfolg oder Frust) angemessen umzugehen.

Die Bildungsbegleiter ermutigen die Kinder stets liebevoll zur Eigenaktivität und persönlicher Verantwortungsübernahme. Durch das gegebene Vertrauen und das stetige Ermutigen werden die Selbstwirksamkeit und das Selbstwertgefühl gestärkt.

Wir dienen als positive Rollenvorbilder, die den Kindern gewisse Problembewältigungsstrategien vorleben bzw. sie dazu motivieren, eigene gesellschaftsfähige Strategien zu entwickeln.

 

Das partizipatorische Eingewöhnungsmodell

Seid 2023 gewöhnen wir unsere JuLiKinder nach dem partizipatorischen Eingewöhnungsmodell ein. Zudem haben wir die Wörter „Eingewöhnung“ und „Trennung“ durch „Ankommenszeit“ und „Verabschiedung“ ersetzt. 

Wie sieht es in der Praxis aus?

  • Die Eltern und die Kinder haben mindestens acht Wochen Zeit, um ohne Druck in der Kita anzukommen (in anderen Einrichtungen sind 4-6 Wochen üblich)
  • Die ersten zwei Wochen nutzt die Familie, um die Abläufe und Strukturen des Kitaalltags kennenzulernen. Die Bildungsbegleiter/innen haben viel Zeit, um das Kind zu beobachten und können so sensibler den ersten Kontakt knüpfen. 
  • Die Eltern und die Kinder gestalten die Ankommenszeit aktiv mit, in dem sie zeigen was ihnen gut tut, was sie brauchen oder was ihnen fehlt. 
  • Die Familien werden in alle Entscheidungen miteinbezogen, wie: wann findet die erste Verabschiedung statt, wie lange bleibt die Eltern noch im Raum usw. 
  • Die Bildungsbegleiter/innen nehmen Wünsche und Ängste der Eltern und der Kinder ernst. Zusammen suchen wir nach Lösungen. 

Die sein Phasen: 

  1. Informieren: Die Leitung zeigt der Familie die Kita, alle Fragen werden beantwortet. 
  2. Ankommen in der Kita: Am ersten Tag der Ankommenszeit bekommen die Eltern von den Bildungsbegleiter/innen einen Fragebogen mit wichtigsten Fragen zum Kind und zum Familienleben. Dieser kann in Ruhe zu Hause ausgefüllt werden und zeitnah mit der Bezugsbildungsbegleiter/in besprochen. 
  3. Die Familie hat genug Zeit, um sich die Abläufe der Krippengruppe anzuschauen.
  4. Beziehung aufbauen: Wenn die Fachkraft beobachtet, dass das Kind gerne mit ihr in Kontakt tritt und auf die Spielangebote eingeht, beginnt der Beziehungsaufbau. 
  5. Sich in der Kita wohlfühlen: wenn das Kind morgens gut gelaunt ankommt, sich an den Interaktionen beteiligt, eigenständig die Räume erkundet, signalisiert es „ich bin angekommen“.
  6. Bereit für den Abschied: Die Eltern und das Kind entscheiden über den Zeitpunkt der Verabschiedung aktiv mit. Grundsätzlich sollen sich alle beteiligten mit der Entscheidung wohl fühlen. 
  7. Fühlt sich das Kind wohl bei den Bildungsbegleiter/innen, wird die Zeit ohne Eltern ausgedehnt. 

Wenn das Kind schneller ankommt, kann die Verabschiedung schneller statt finden. Hat das Kind Schwierigkeiten, werden wir gemeinsam feinfühlig herausfinden woran das liegen könnte. 

Das Kinderparlament

Wir leben in einer Demokratie und so möchten wir auch in der Kita, dass die Kinder Demokratie leben und lernen können.

 

Wir haben das Kinderparlament gegründet, um die Kinder in ihrer Autonomie zu stärken und ihr Verständnis für Demokratie zu fördern.

 

Aus den Kindern, die 4 Jahre oder älter sind, wird von allen circa alle 4 Wochen ein Vorstand gewählt, der aus 2 Kindern besteht. Dieser leitet die jeweiligen Sitzungen, in denen auch Themen des Morgenkreises, wie der Wochentag, das Wetter oder das Stimmungsbarometer besprochen werden. Für alle zugänglich gibt es einen "Briefkasten", der von den Kindern allein oder mit Hilfe der Bildungsbegleiter mit Wünschen, Sorgen, Konflikten oder anderen Themen gefüllt werden kann. In der Sitzung wird der Briefkasten geleert und die Themen in der Gruppe besprochen. Dabei kann es auch immer wieder zu Abstimmungen kommen, wofür jedes Kind einen selbstentworfenen Abstimmungsstein besitzt. Die Ergebnisse einer Sitzung werden anschließend vom Vorstand mit den Bildungsbegleitern diskutiert, um gegebenenfalls ihre Umsetzung zu planen.

 

Während die Bildungsbegleiter sich in einer Sitzung des Kinderparlaments idealerweise komplett zurückhalten, diskutieren die Kinder miteinander und versuchen andere von ihrer Meinung zu überzeugen. Dadurch werden sie in ihrer Resilienz und in ihrem Kommunikationsverhalten gefördert. Sie entwickeln Strategien und finden Lösungen, zum Beispiel in Konfliktsituationen. Die Kinder übernehmen Verantwortung für ihr eigenes Handeln und erfahren gleichzeitig wie das Leben in einer Gemeinschaft funktionieren kann.

 

Hierbei ist es wichtig zu betonen, dass Demokratie und Autonomie zwei verschieden Sachen sind, die oft sogar im Gegensatz zueinanderstehen, da man in einer Demokratie unter Umständen damit leben muss, dass Mehrheitsentscheidungen getroffen werden, die nicht dem eigenen Wunsch oder Willen entsprechen. Trotzdem erkennen die Kinder, dass ihre und jede Stimme zählt und wichtig dafür ist, dass sich eine starke Gemeinschaft entwickeln kann.